So, und weil ich gerade einen aufgeladenen Rechner und die Nerven dazu habe, äußere ich mich zu dem aktuellen Hashtag im Titel.
Ich denke, sämtlichen Mama-Blogs juckt es schon in den Fingern. Viele haben schon geschrieben. Und auf twitter läuft es sowieso noch eine Weile. Und es macht mich mal so richtig richtig wütend. So richtig. Ernsthaft. Ich habe inzwischen zu diesem Thema etwa 7 Beiträge gelesen inklusive SZ-Auslöser. Ich fand die ersten „Outings“ dazu gut. Da haben sich einzelne Frauen zu ihren Unsicherheiten und Zweifeln, sogar zu ihrem Leid bekannt. Das halte ich für unterstützenswert. Leider ist es mir zu nervig, danach noch Kommentarspalten durchzulesen. Daher kann ich gar nichts über die jeweilige Resonanz sagen.
Aber was ich sagen kann:
Mädels, ihr durftet schon immer bemerken, dass es Euch nicht gut geht. Ihr habt es nur nicht gemacht!
Ja, da kommt das „warum“ um die Ecke. Mit Sonnenbrille und einem coolen Gestus, der so viel meint wie: die Gesellschaft und die aktuelle Sicht und die vielen Ratgeber und alle lächeln doch immer. Wie soll ich denn da das Gefühl haben, dass mein Schmerz wirklich und ernstnehmbar ist? Und außerdem haben die Nazis da ja voll die Propaganda und so…ich merk das heute noch!
Und Mama Minusch rastet endgültig aus, denn…
Meine Damen, Mütter, Schwangere und solche, die es werden wollen: Es war noch nie nur schön, kleine Babies zu haben! Keine Mutter kann ernsthaft erzählen, dass Schwangerschaft, Geburt und Erziehung (von Familienfindung, Partnerschaftsproblemen oder gar finanziellen Unglücken) wirklich glücklich macht. Ja, es gibt Frauen, die kommen damit in ein Lebensstadium, das ihnen entspricht. Nur bin ich mir sicher, dass es den meisten eben nicht so geht.
Erzählt mir doch nicht, dass ihr bis kurz vor der Geburt ernsthaft geglaubt habt, alles würde irgendwie so weitergehen wie vorher, nur dass da eben noch was süßes kleines dabei ist? Yep, sollte das doch so gewesen sein, verstehe ich den Realitätsschock, aber immer noch nicht, warum eine Frau nicht bemerken können sollte, dass sie unglücklich ist, oder dass sie mit ihrer Mutterrolle nicht klar kommt, oder dass sie Sehnsucht nach etwas anderem hat, oder dass sie ihre Freiheit vermisst.
Ehrlich, von besch*** Starts ins Leben mit Kindern kann ich ein Liedchen singen. Und: nein, ich habe mein Umfeld nicht in mein ganzes Leid mit einbezogen, weil ich einfach nicht wollte. Weil ich das schaffen musste. Weil das mein Prozess war. Ich habe dieses Blog gestartet, damit ich Teil der Stimme der Frauen sein kann, die eben keinen Bock drauf haben, Hochglanz-Babybilder zu posten und jeden Tag aufs neue zu versichern, dass es voll schön zuhause ist. Ich weiß schon sehr lange: wenn mich etwas belastet, dann bin ich damit nicht alleine, denn dann gibt es eine Menge Frauen auf diesem Planeten, die haargenau dieselben Probleme haben!
Deswegen vernetzen sich Mütter über Twitter und machen Witze über Wäscheberge und Windeln und wieviele Fertigpizzen sie in der Woche brauchen, weil das Bio-selberkoch-Dogma einfach zu hart ist für die Realität! Deswegen sind wir hier! Deswegen haben wir unübersichtlich lange Reader, weil immer wieder irgendwo eine neue Stimme auftaucht, die unser eigenes Leben ins Worte fast.
Mit #regrettingmotherhood gibts die Chance, jetzt einmal gesammelt Dampf abzulassen. Sich zu bekennen. Von der Leserin zur Gelesenen zu werden und für einen Augenblick zu spüren, wie umfassend diese Gefühle sind. Das ist super! Aber hier wird kein Tabu gebrochen! Wir durften schon lange über unsere Schmerzen reden, wir haben es nur nicht getan, denn so etwas gibt Schwachstellen preis und dafür sind ja die anderen da.
Wir brauchen keine Debatte über ein fiktives Tabu! Wir brauchen ENDLICH eine Generation selbstbewusster Frauen, denen niemand ungestraft einen Erziehungsratgeber in die Hand drücken darf! Wir brauchen Frauen, die sich nicht verunsichern lassen! Wir brauchen direkte Emotionen und keine Shitstorms! Wir brauchen Frauen in all ihren Facetten! Laut und leise und dick und dünn und immigriert und festverwurzelt und allein und verpartnert und quer und spießig und schrill und stockkonservativ! Wir brauchen ein Bewusstsein für unsere Stärke und Liebe für unsere Schwächen! Wir brauchen eine klare Sicht auf uns selbst!
Bitte, Mädels, suhlt Euch nicht in Eurem Leid, sondern findet den Hebel, der Euch den Rücken stärkt. Nichts, was ihr fühlt, fühlt ihr exklusiv! Und wenn Euer Leben scheiße ist, egal ob mit oder ohne Kind, dann schaut Euch die Scheiße an. Benennt sie! Haut sie anderen um die Ohren und arbeitet mit ihr! Immer nur ins eigene Heim jammern ist so sinnvoll wie von einem zweijährigen zu erwarten, dass er freiwillig ins Bett geht.
Ich bin von Herzen Tabu-Brecherin! Und ich hatte eine scheiß-Zeit, als die beiden Jungs noch kleiner waren. Und die Kuh ist noch nicht vom Eis. Aber zeigt mir eine Frau, die ihre Kinder groß gezogen hat und ernsthaft behauptet, dass das ja ein Kinderspiel war! Nicht mal meine Mutter, Schwiegermutter, VorzeigeMamas auf dem Spielplatz oder die Mama eines Pflegekindes! Noch nicht mal die rundum-sorglos-bilderbuch-Familie, die ich früher mal kannte, würde sich zu sowas versteigen.
Ok, die Medien stellen so das ihre dar und hin. Aber gerade an der Darstellung von Familien im Print wird doch schon lange klar: wir photoshoppen nicht nur Brüste und Popos, sondern auch Vater-Mutter-Kind und verabschieden uns von der Realität.
…ich neige zu Redeschwällen. Wohl auch zu Schreibschwällen. Aber ich denke, mein Standpunkt ist deutlich. So ein bißchen müssen wir schon selbst zur Realität beitragen, denn ohne uns bleibt sie die Realität von anderen.
Liefs,
Minusch
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