Guten Morgen! was einerseits aggressiv durch die Laken piept könnte auch nur der Klang der Amsel auf dem First sein.

heute keine Fotos, teilte Herr Amsel mit, als ich versuchte, seinen schwarzen Schatten vor dem dunklen Blau des Morgens zu erwischen. nichts da. keine Fotos. could be worse, nicht wahr?

drei Wochen Ferien liegen vor uns. kein Puzzle von verschiedenen Tagen, nein, ein Stück Rollrasen. wir rollen uns durch das Akklimatisierungswochenende hinein in den ersten Geburtstag, dann einmal ins Osterfest, dann in den Urlaub und innerhalb des Urlaubs in den zweiten Geburtstag und wieder raus ins Zuhause mit Baustelle im Bad.

gestern habe ich noch Witze über Raffaelo-Hüte und Beauty-Care mit einer Freundin gerissen und heute ist trotzdem Freitag. „der Dings ist online jetzt, jetzt Mama! dürfen wir zocken? Bitteeeeeee…“ ja na gut. dann ist es so. could be worse, nicht wahr? immerhin haben wir alles geschafft. Arbeiten, Hintergrundinformationen, runde Tische, Konferenzen, Teamsitzungen, Spiele, Klärungen, neue Schuhe, neue Fortbildung, harte Zockregeln mit weggeschlossenen Devices…wir haben alles geschafft in 3 Monaten. jetzt lassen wir los…

…und plötzlich lasse ich los. eigentlich bin ich diejenige, die geschafft hat und jetzt loslässt. was ist passiert? der Stress ist kaum gesunken (der Stundenzettel sagt +130). hab ich was entdeckt? hab ich den Bestseller für gelingendes Leben gefunden/geschrieben/gelesen?

da das Leben ja nur retrospektiv verstanden wird und ich mich wahrscheinlich noch innerhalb von Prozessen befinde, kann ich nur Hypothesen aufstellen. aber eine meiner Hypothesen ist: Wechseljahre sind super.

also für mich zumindest.

und bis jetzt.

mein PMS hat aufgehört. ich bin in der Peri-Menopause, habe also noch das Vergnügen (*hust*) einer Menstruation, aber: mein PMS hat aufgehört. also, es ist nicht so, dass meine Stimmung grundsätzlich monochrom funktioniert, aber sie hat sich von einem reißenden Gebirgsbach im April in einen Kleinstadtbach im Juni verwandelt. es fühlt sich an, als könnte ich endlich über lange Strecken sehen, was in mir passiert, erkennen, was sich da im Bach tummelt an emotionalen Wasserwesen und kullernden Stresskieseln. und ich erinnere mich, dass ich genau das kenne…von früher…von der Zeit, als ich zwar total gestresst war, weil ich nicht kapiert habe, wie sich Mädchen schön anziehen, ich aber viel Zeit im Wald auf Baumstümpfen, verbracht habe, versunken in Musik und Tagträumen. damals war ich täglich in der Schule und fand zwar das Lernen gut, aber die vielen Menschen einfach nur anstrengend (außer den Chor…da galt: je größer desto besser). heute geh ich auch täglich in die Schule, aber ich kann kontrollieren, mit wem ich mich wann beschäftige. den Rest der Zeit sind Menschen zwar eine Masse an Teilchen, aber ich muss mich nicht drum kümmern, solange sie nicht funktionieren wie ein Erdrutsch. meine Konzentration ist die einer erwachsenen Frau, nicht die eines Teenies. ich habe auch schon lange nicht mehr nach einem Friseurbesuch geweint. mich stressen Größenschilder in Kleidungsstücken nicht (erinnert ihr euch an de Stress mit den 501ern? wo jeder von außen lesen konnte, welche Weite du trägst?…das war so schlimm für mich). aber gleichzeitig habe ich Lust zu singen und zu tanzen, Gedichte zu schreiben und über Wolken nachzudenken. plötzlich entstehen Gruppen, die ich mag…Frauen-Stammtisch, Siedler-Abend, Boule, quartalsweise Jägermeister-Deals…Alkohol wird gemeinsam genossen und nicht gekippt…Kartoffeln in Salzkruste, Quiche, Baguette mit Frischkäse oder Chili sin Carne mit Schokolade…Geschenke sind nicht mehr zentral oder besonders besonders, sondern Gedanken…

ich habe in den letzten Jahren versucht, meine Wünsche zu verbalisieren, klar zu kriegen, was denn genau das ist, was ich vermisse. eventuell kann ich das heute immer noch nicht. aber immer, wenn ich etwas erlebt habe, was mir gut getan hat, habe ich es abgespeichert unter: das möchte ich wieder. also, dann, wenn es geht. wenn es nicht zu kompliziert wird, das zu bekommen. und gerade tröpfeln diese gewünschten Erinnerungen in mein Leben an Stellen, die für mich bis vor einem Jahr noch gar nicht absehbar waren.

sicher haben sich auch im Alltag Routinen aufgebaut, die einiges vereinfachen. meine Söhne haben Selbständigkeit gelevelt. die Pubertät zieht wie eine Dunstwolke durch die Wohnung, aber ich kann sie, trotz oder wegen der Wechseljahre, die mich an meine Pubertät erinnern, ziemlich locker nehmen. bis jetzt. in unserem Zuhause leben wir seit ziemlich genau 5 Jahren und auch das vereinfacht vieles. ich kann also sagen: wenn die Wechseljahre günstig fallen, finde ich sie gut. und was ich auch gut finde, sind die fielen Informationen, die es inzwischen recht leicht (Danke Internet) zu finden gibt. ich werfe mir also morgens meine Dosis Mönchspfeffer ein und starte in Tage mit leichter Konsistenz und zartem Crunch und im Abgang weich wie Butterscotch. auch wenn mir zwischendurch das Wasser in den Wanderschuhen steht.

mir ist dabei klar, dass ich damit Glück habe, also mit meinem Wechseljahres-Verlauf. ich kenne zwar Haarausfall, juckende Augen, Herzdruck und Herzrasen, Hitzewallungen (bah), veränderte Verdauung und trockene Schleimhäute, aber immerhin hindert mich das alles nicht an Genuß. ich brauche keine medizinische Intervention und darf so bleiben wie ich bin. wenn das mein Wechseljahres-Level ist, darf das so bleiben, bis das letzte Ei gesprungen ist. keine Reue, kein Bedauern, kein Frust: loslassen.

Liefs,

Minusch

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