feuchtes Laub. kein Sonnenstrahl so wie vor 21 Jahren. Zwetschgen und Pilze und Rotkohl anstatt panischer Angst. lautes Lachen im Wald anstatt der Stille meiner Narkose. regennasser Asphalt und ein warmes Zuhause. kein Neonlicht.
auf Deiner Offrenda stünde Karottenbrei. die Spieluhr ist noch immer kaputt. sobald ich sie in die Hand nehme, muss ich sie wieder weglegen. trotz all der kultivierten Trauer. trotz der 363 Tage, die nicht Teil dessen sind, was an diesen zwei Tagen hochsteigt. aufflammt.
was hättest Du Dir gewünscht? ich erfülle seit 21 Jahren meine Ideen Deiner Wünsche am 7.10. und jedes Jahr finde ich all das gleichzeitig richtig und beschämend. deine Brüder zweifeln nicht an der Richtigkeit. aber sie dürfen ihre Wünsche ja auch selbst aussprechen. „ich wünsche mir eigentlich nichts. ich habe eigentlich alles.“ würdest Du das auch so sagen?
wie kann ein Mensch, der nur so kurz da war wie Du, eine solche Lücke hinterlassen? wie ist das möglich?…
rote ziegelnasse Dächer vor den Fenstern. der Weg zu Freunden führt an unserer alten Wohnung vorbei. Freunde, die Du nicht kennst, die aber mit mir an Dich denken. Dein damaliger Assistenzarzt ist jetzt Chefarzt. er war auch bei der Geburt Deiner Brüder dabei. bedeutet Dir das was? bedeutet es mir etwas?
hast Du uns dieses Wochenende gesehen? wie wir versucht haben, die Halloween-Melodie auf unseren Gitarren zu spielen? warst Du dabei, als wir uns im Museum mit der Zeichnung ausgestopfter Tiere beschäftigt haben? hast Du den Rotkohl gerochen? den Zwetschgenkuchen? den Zwiebelkuchen? hast Du gespürt, wie warm es in der Küche geworden ist? warst Du dabei? in den roten Rosen? dem Kerzenlicht? beim Vokabelabfragen?
seit Donnerstag ist der eine Steinstapel nicht mehr umgefallen. er fällt ständig um. soll ständig umfallen. damit ich ihn immer wieder aufstellen kann für Dich. er steht seit Donnerstag wie festgeklebt. weil ich seit Donnerstag an heute gedacht habe. weil ich Freitag Rotes gekauft habe. weil ich Samstag Blumen aufgestellt habe. weil ich Sonntag im Wald war. weil ich heute weinen muss.
es gibt noch mehr Gründe, Kerzen anzuzünden. die Welt ist voll von Erinnerungen an einen anderen grausamen Jahrestag. ich schweige mit allen mit. entzünde Kerzen. blinzle den ganzen Tag heimlich die Zeichen weg. wie gut ich einen Teil des Schmerzes verstehe. und wie sehr ich hoffe, den anderen niemals ertragen zu müssen.
Mein Kind, ich liebe Dich.
Mama
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