hejhej, Ihr Lieben.
ja, ich trage etwa 5 Blogtexte mit eigenen Themen irgendw0 hinter den Handgelenken, aber die Tage füllen sich als Mama ja bekanntermaßen wie von selbst mit Dingen, die dringend anstehen, Dingen, die schon länger liegen und Dingen, die einfach schön wären (und genau in der prioritäten Reihenfolge *grmpf*).
ich behaupte, dass es uns Mamas durch die Bank so geht: erst die Arbeit, dann das Aufgeschobene und wenn ich dann noch nicht schlafe das Vergnügen, es sei denn, ich muss morgen wieder früh raus oder das Kind ist krank oder…) gut, es wäre möglich, dass meine virtuelle Filterbubble schon so geeicht ist, dass ich nur umgeben bin von Müttern, denen es genau so geht wie mir. aber, wenn ich eines in meinem Leben gelernt habe, dann das: menschliche Erschwernisse sind für jeden Menschen schwer. also, ich meine: wenn ich persönlich der Meinung bin, eine muttertechnische Totalversagerin zu sein, weil ich es noch nicht mal hinbekomme, mein Bad regelmäßig zu putzen (stattdessen mal hier ein wenig und mal dort ein wenig und irgendwie ist es nie fertig), dann kann ich mir sicher sein, dass andere genau dasselbe Problem haben. keine Ahnung, ob das als dem System geschuldet, Murphys Idee oder dem Zeitgeist entsprechend begründet werden kann. aber irgendwie stimmt es. unabhängig von der Begründung.
daher finde ich es wunderbar, dass eine andere Bloggerin und Twitter-Freundin mir einen Sorgentext anvertraut hat, den sie nicht auf ihrem eigenen Blog veröffentlichen möchte. in dem Text steht gar nichts beschämendes drin, was es nötig macht, den Text fremd zu bloggen. und doch ist er sowas wie ein Fenster in die Realität. denn selbst wenn es einige Elternblogger gibt, die schon extra nicht dem schöner-kreativer-selbstgemachter-Wahn folgen sondern lieber wertfrei deskriptiv bloggen, so filtern wir doch alle das eine oder andere aus den diesen oder jenen Gründen. ich habe beim Lesen ihres Textes viele Parallelen zu mir gesehen und ich meine auch noch mehr Mütter zu kennen, die sich darin wieder finden könnten. deswegen hoste ich diesen Text sehr gern – wenn auch anonym – auf meinem Blog. Mama sein ist sicher wunderbar und die wenigsten wollen zurück in die Zeit vor den Kindern. aber es gibt schon einige bittere Pillen, die, hätten wir von ihnen gewusst, vielleicht im Vorfeld Entscheidungen beeinflusst hätten (und ich meine jetzt nicht die Entscheidung ‚Kind ja oder nein‘).
liefs,
Minusch
Ich beobachte, wie mein Nachbar einer anderen Nachbarin dabei hilft, die Rankhilfe ihrer Weintraube abzubauen. Die Weintrauben waren wunderschön, sie muss eine üppige Ernte gehabt haben. Nur das Gestell, aus alten Rohren, Metallstreben und Holzlatten war in die Jahre gekommen. Ich stelle mir vor, wie sie beim letzten Grillabend mit den befreundeten Nachbarn darüber sprach, dass die Rankhilfe weg muss und ihr dieser Nachbar seine Hilfe anbot.
Wir wohnen noch nicht lange hier, doch ich weiß, dass viele Nachbarn untereinander befreundet sind. Dass man sich hier gegenseitig hilft. Ich sehe, wie die eine Nachbarin mit dem gehbehinderten Mann der Anderen spazieren geht, während die wiederum den Rasen mäht. Wie der Nachbar aus der 1 dem Nachbarn aus der 3 bei seiner Hecke hilft. Wie über die Balkone gerufen wird, sich über die Gartenzäune hinweg unterhalten wird.
Und ich fühle mich wahnsinnig einsam.
Ich hatte das auch mal, ein Pärchen, das genau gegenüber auf dem Flur wohnte. Sie sind heute noch enge Freunde. Nur wohnen sie nicht mehr gegenüber. Sie passten auf meine Hündin auf, wenn ich länger arbeiten musste. Damals. Kurz bevor sie starb kamen sie extra, um sich von ihr zu verabschieden. Auch mein sowas-wie-Bruder Shane war mal mein Nachbar, bis wir weg zogen. Jetzt ist jeder Besuch hier mit einer 20-minütigen Busfahrt verbunden. Und alles nur, weil ich dachte, dass der 5 Minuten Fußweg zur Tagesmutter meine Wochen endlich erleichtern würde. Dass das Wohnen in einer verkehrsberuhigten Zone endlich dafür sorgen würde, dass ich meine Kinder nicht so umständlich verpacken muss, um vor die Tür zu kommen. Dass der kürzere Arbeitsweg meines Mannes wertvolle Minuten der Entlastung pro Tag schenken würden.
Doch während mein Nachbar lautstark und mit sprühenden Funken das Metall zersägt, geht ein Stich durch meinen Körper. Denn ich sehe, dass das keine Entlastung gebracht hat. Hilfe ist jetzt noch weiter entfernt als zuvor.
In den letzten 3,5 Jahren hat sich vieles verändert. Mein Körper, meine Schlafens- und Essenszeiten und die wenigen Momente am Tag, an denen ich mal meine eigenen Wünsche erfüllen kann, um nur einige Beispiele zu nennen. Und um ehrlich zu sein gibt es Tage, an denen erfülle ich mir nicht einen einzigen Wunsch. Und manchmal weiß ich auch nicht, ob ich noch welche habe. Alles was ich weiß ist, dass ich nahezu jede Woche mindestens einmal an meinem Laptop sitze und einen Text schreibe, der von nichts weiter handelt als meiner Erschöpfung.
Seit über einem Jahr. Jede Woche.
Nicht alle veröffentliche ich, in der Tat eigentlich sogar eher die Wenigsten. Das liegt nicht daran, dass ich etwas verschleiern will, sondern dass ich mich frage, was genau ich denn erreichen will, wenn ich einen solchen Text über meine Müdigkeit absetze, der niemandem, aber wirklich niemandem etwas bringt?
Ich könnte ja stattdessen in Bedürfnissen denken, dann wäre Rosenberg stolz auf mich. Ich könnte an das Positive denken. Ich könnte erzählen, dass ich Hilfe habe. Ja. Auf dem Papier sind da Menschen. Meine Kinder sind – offiziell – für drei Tage die Woche bei einer wundervollen, liebevollen, großartigen Tagesmutter angemeldet. Mein Mann ist täglich um kurz vor 18 Uhr Zuhause und praktisch nie auf Dienstreise. Shane verbringt oft die Nachmittage hier und nimmt mir häufig die Spaziergänge mit dem Hund ab. Meine Eltern lassen sich hin und wieder mal für wenige Stunden blicken, manchmal geht Bubba sogar mal ein paar Stunden zu ihnen. Und wenn ich Glück habe, saugt meine Mutter alle paar Monate einmal die Wohnung. Meine Schwiegereltern wohnen in einer anderen Stadt, arbeiten viel und haben gesundheitliche Einschränkungen. Alles in allem ist da – auf dem Papier – ein Netz aus Helfern, die auch regelmäßig ihre Hilfe anbieten, aber dann ist da dieses Aber.
Zur Tagesmutter gehen meine beiden Kinder eigentlich so gut wie nie. Seit D-Von mitgeht, also seit 8 Wochen, waren sie tatsächlich in 4 Wochen davon mal 2 Tage pro Woche dort. Denn entweder sind sie krank, oder es ist Urlaubszeit oder Bubba Ray fürchtet sich wieder mal so sehr, dass ein Bringen schlicht.nicht.möglich ist.
Mein Mann ist müde. An den Wochenenden, an den Abenden. Natürlich kümmert er sich, so wie ich mich auch. Doch würde er mir abends und an den Wochenenden die Kinder tatsächlich komplett abnehmen, bliebe nicht mehr viel Raum für seine eigene Erschöpfung. Und wir drehten uns im Kreis. Das heißt, dass er das mal tut – ja. Wenn ich wichtige Dinge zu arbeiten habe, der Garten dringend gemacht werden muss oder ich kaum stehen kann vor Schmerzen in der seit über einem Jahr kaputten Schulter. Doch eigentlich wird hälftig geteilt.
Shane ist sowas-wie-Patenonkel, wären meine Kinder getauft, was sie aber nicht sind. Doch er kennt sie seit ihrer Geburt, sie lieben ihn und zählen ihn zur Familie. Er ist da, wenn ich ihn brauche, das kann ich so sagen. Aber er hat eben ein eigenes Leben. Und das ist immer mindestens 20 Minuten Busfahrt entfernt.
Meine Eltern arbeiten, ärgern sich über ihre Kollegen, haben ihre Bedingungen. Mein Vater hat oft keine Lust, meine Mutter ist zu müde und überhaupt nimmt keiner der beiden beide Kinder gleichzeitig. Entlastung gibt es hier also nur zu bestimmten Bedingungen, nur zu 50%, nur auf Knien.
Meine Schwiegereltern – naja. steht eigentlich alles oben.
Also, dieses Netz aus Helfern, das ist theoretisch da. Theoretisch habe ich ein Dorf. Theoretisch kann ich mich nicht einsam fühlen. Und doch ist es so.
Denn immer, wenn ein Kind krank ist und mir das andere die Wohnung verwüstet, weil es zu kurz kommt, brauche ich Hilfe. Und erfahre keine. Denn keiner will sich anstecken, keiner packt richtig mit an. Keiner wäscht Wäsche oder kocht Suppe.
Immer, wenn ein Kind besonders bedürftig ist, weil es Zähne bekommt, Wachstumsschmerzen oder eine der vielen diffusen Ängste und schwachen Momente, die so ein hochsensibles Kind eben irgendwie ständig und immerzu hat, ist keiner da. Und wäre jemand da, würde er es nicht ernst nehmen. Meine Kinder sollen schließlich lernen, dass ich nicht bei jedem Pups springe, heißt es dann.
Immer dann, wenn eine Tagesmutter Urlaub hat, hat die eine Oma auch Urlaub und fährt weg und die andere muss aufgrund des Urlaubs ihrer Kollegin besonders viel arbeiten. So will es das Gesetz.
Immer dann, wenn ich Hilfe brauche, Hilfe von jemandem, der keine Scheu hat, sich die Hände dreckig zu machen, ist keiner da. Und schmutzig sind nur meine eigenen Hände. Dann schmerzt die Schulter ganz besonders, unter der schweren Last des nicht enden wollenden Tages und dem Gefühl, dass ich doch nicht allen so gleichgültig sein kann? Dass ich doch nicht hier kämpfen, schuften, alles geben kann – und Menschen, die irgendwann mal versprachen für mich da zu sein, ist das egal? Ich weiß, dass niemand verpflichtet ist und ich niemanden beanspruchen kann und das tue ich auch nicht. Doch ich frage mich, wie es dazu kommen konnte, dass da plötzlich keiner mehr ist, der mit Kuchen vor der Tür steht oder einfach mal eine halbe Stunde zuhört, wenn ich auf die fiesen Erkältungsviren schimpfe. Hier klingelt keiner. Nicht meinetwegen.
Und so ist mein Akku immer weiter herunter gefahren in den letzten Jahren. So weit, dass ich nun jede Woche einmal hier sitze und Texte über gnadenlose Leere, Müdigkeit und Erschöpfung schreibe.
Während ich diese Worte tippe, kann ich vom Bürofenster aus meinem Nachbarn beim Metall zersägen zusehen und ich sehe auch, wie die Rankhilfen-Besitzerin ihm einen Kaffee bringt. Wie ihr Mann mit dem Rollstuhl an den Zaun fährt und sich bedankt. Ich überlege, wann mir das letzte Mal jemand ein Kind die Treppen hoch getragen hat. Oder den Einkauf. Oder den Buggy. Und stelle fest: noch nie.
Ich habe versucht, eine Kur zu beantragen. Sie wurde abgelehnt. Im Formular musste angegeben werden, ob und wie häufig Kinder von einer Tagesmutter betreut werden. Ein Anruf bei der Stadt verriet, dass sie offiziell für viele Stunden gemeldet sind. Dass sie da nie wirklich 30 Stunden hingehen, das wissen die schließlich nicht. Und außerdem sei ich ja in Elternzeit. Erschöpfung könne man sich zwar vorstellen, doch dann solle ich eben die Kinder öfter zur Tagesmutter bringen oder mal eine Oma anrufen.
So einfach ist das. In der Theorie.
Ich habe versucht, für meine Schulter, die so sehr schmerzt, dass ich manchmal den Arm nicht heben kann, eine Haushaltshilfe zu beantragen und es wurde abgelehnt. Man könne mich schließlich operieren. Ohne klare Diagnose, ohne die genaue Ursache zu kennen? Und überhaupt, wohin so lang mit meinen Kindern? Naja, ich habe ja immer noch einen (Vollzeit arbeitenden) Mann (der sich nicht wegen sowas krankschreiben lassen kann, ihr Deppen, wenn ihr mir keine Hilfe gewährt!) Aber wenn ich operiert werde, DANN kriege ich ja eine. Eine, die meine Kinder nicht kennen. Bei der sie sicher den ganzen Tag bleiben werden. Na logisch.
Ich nehme tiefe Atemzüge, hole mir selbst einen Kaffee und streichle über die Köpfe der beiden kleinen Kinder, die ich heute schon wieder aus lauter Verzweiflung und Überforderung angeschrien habe und erschrecke mich, als ich auf dem Rückweg am Spiegel vorbei gehe. Ich sehe eine leere Hülle an, mit dunklen Augenringen und fader Hautfarbe.
Mich haben in den letzten Jahren nicht nur meine helfenden Nachbarn verlassen, denke ich. Nicht nur die.
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